Wie Präsident Roosevelt von seinem Leibarzt umgebracht wurde

Medizingeschichte

von Harald Wolf

Der Blutdruck – die Vorgeschichte

1628 nahm William Harvey als erster an, dass es für die Blutzirkulation eine Antriebskraft geben muss. Erst über 100 Jahre später konnte 1733 der Blutdruck gemessen werden: Steven Hales führte bei einem wachen Pferd eine Glaskanüle in die Halsschlagader ein. Damit bestimmte er das erste Mal den Blutdruck bei einem lebenden Organismus und bewies dessen Änderungen während des Herzzyklus. Da sein Ansatz für Menschen nicht praktikabel war und das Verständnis für die Bedeutung des Blutdrucks fehlte, dauerte es bis ins Jahr 1896, dass die Blutdruckmessung langsam in die klinische Praxis einging.

In den 1930er bis 1950er Jahren wurde erhöhter Blutdruck bei Herz-Kreislauf-Patienten als natürlicher Kompensationsmechanismus des Körpers angesehen, der nicht beeinflusst werden sollte. In der medizinischen Literatur war daher von „essentiellem“ Bluthochdruck die Rede, der notwendig ist, um die Durchblutung erkrankter Organe aufrechtzuerhalten. Zu dieser Zeit war es bereits möglich, den Blutdruck zu beeinflussen und Bluthochdruck zu behandeln – doch dies wurde nicht für nötig, sondern sogar für gefährlich gehalten.

Der Mord aus Unwissenheit

Auch der „essentielle Bluthochdruck“ Franklin D. Roosevelts, 1933-1945 Präsident der USA, blieb unbehandelt. 1945 verstarb Roosevelt ganz plötzlich, ohne offensichtliche vorausgehende Symptome an einer Hirnblutung. Kurz vorher hatte Roosevelt einen Blutdruck von etwa 300/190 mmHg – dokumentiert im medizinischen Tagebuch seines persönlichen Arztes. Ab Werten von 140/90 mmHg spricht man heute von Bluthochdruck.

Der Leibarzt des US-Präsidenten war sicherlich eine Koryphäe, was zeigt, dass auch eigentlich sehr gute Ärzte unglaubliche Dummheiten machen können. Es ist ja intellektuell kein großer Schritt zu erkennen, dass ein stark erhöhter Druck ein dünnwandiges Gefäß schädigen und sogar zum Platzen bringen kann.

Heute ist bestens belegt: Bluthochdruck ist sogar noch vor Rauchen und hohen Cholesterinspiegeln eine der Hauptursachen für Herzinfarkt, Schlaganfall und frühzeitigem Tod. Und heute würde Roosevelts Arzt für seine Fehlbehandlung wohl ins Gefängnis wandern.

Hohen Blutdruck senken, aber nicht abrupt

2017 wurden in den USA vom American College of Cardiology (ACC) und der American Heart Association (AHH) neue, strengere Richtlinien für die Einstufung und Behandlung von Bluthochdruck herausgegeben. Werte von 120-129/80 werden in den Richtlinien bereits als erhöht angesehen, 130-139/80-89 als erste Bluthochdruck-Stufe. Ziel der neuen Richtlinien ist die frühere Intervention zur effektiveren Bekämpfung von Bluthochdruck. Dabei steht nicht die medikamentöse Behandlung, sondern eine Änderung des Lebensstils an erster Stelle.

Denn eine moderne medizinische Dummheit wäre nun das andere Extrem: Patienten mit jahrelangem Bluthochdruck plötzlich den Blutdruck medikamentös stark abzusenken. Denn die These von damals war nicht ganz falsch: Der Körper hat sich auf den hohen Blutdruck eingestellt und dieser sollte allmählich auf gesunde Werte gesenkt werden, nicht abrupt. Extrem erhöhter Blutdruck wie bei Präsident Roosevelt ist aber ein akuter Notfall. Hier heißt es natürlich: sofort in die Klinik und auch abrupt den Blutdruck senken.

Mit welchen Lebensstil-Änderungen Sie einen gesunden Blutdruck unterstützen können und weitere interessante Informationen zum Thema Blutdruck lesen Sie hier.

 

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